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Sarah

Ärzte - Instrumente der Diplomatie?

Aktualisiert: 10. Okt. 2021

Die Kunst des Heilens erfordert stets jemanden, der sie ausüben kann. Während die medizinischen Texte keine konkrete Person nennen, an die sie gerichtet sind, sind wir unter anderem durch Biographien von hohen Privatpersonen darüber informiert, dass es einen ärztlichen Berufsstand gab.

Der Grieche Herodot schrieb in seinen „Historien“ über die ägyptischen Ärzte:

„Die Heilkunst ist aufgeteilt. Jeder Arzt behandelt nur eine bestimmte Krankheit, nicht mehrere, und alles ist voll von Ärzten. Da sind Ärzte für die Augen, für den Kopf, für die Zähne, für den Leib und für innere Krankheiten.“

Diese hohe Spezialisierung ist tatsächlich auch durch diverse Titel belegt, zumindest ab der Spätzeit des Alten Ägypten. Bemerkenswert ist, dass Ärzte offenbar auch Priester waren. Vor allem Priester der Göttin Sachmet, die mit Krankheiten und Seuchen in Verbindung gebracht wurde, fungierten auch als Ärzte, was zeigt, wie eng Medizin und Magie verknüpft gewesen sein müssen.


Dem Arzt stand ein reicher Schatz an Rezepturen und Zaubersprüchen zur Verfügung, nachdem er das Leiden des Patienten diagnostiziert hatte. Auch chirurgische Prozeduren konnten Ärzte anwenden, was durch die Funde von Messern und anderen Geräten belegt ist. Manche Diagnosen ließen jedoch nur die Feststellung zu, dass es sich um eine Krankheit handelte, „die man nicht behandeln kann.“


Dennoch genossen ägyptische Ärzte zu ihrer Zeit einen ganz außerordentlich guten Ruf, sogar im Ausland. Überliefert ist eine Korrespondenz zwischen dem hethitischen König Ḫattušili III. und Ramses II., die kurz zuvor um 1259 v.Chr. den ersten Friedensvertrag der Menschheitsgeschichte geschlossen hatten. Ḫattušili fragte bei seinem ägyptischen Kollegen nach, ob dieser ihm wohl einen seiner Ärzte nach Ḫattuša (heute Bögazköy, Türkei) schicken könne; seine Schwester sollte (aus welchem Grund auch immer) noch ein Kind zur Welt bringen, war allerdings schon etwas älter.

„Mein Bruder möge mir einen Mann hersenden um für sie eine Arznei zuzubereiten, um sie gebären zu lassen.“

Ramses‘ Antwort ist nicht unbedingt der hohen diplomatischen Kunst zuzuordnen.

„Siehe, die Schwester meines Bruders – eine 60-jährige ist sie! Man kann keine Kräuter für sie brauen, um sie noch gebären zu lassen.“


Dass man bei einer politisch so wichtigen Frage einen ausländischer Herrscher, den man bis kurz zuvor sogar noch bekriegt hatte, um Hilfe bittet, ist schon erstaunlich. Ramses‘ ablehnende Antwort könnte daher auch etwas wohlwollender interpretiert werden; möglicherweise wollte er keine falschen Hoffnungen wecken, um den erst kurze Zeit währenden Frieden nicht zu gefährden? Der für unsere Ohren etwas raue Ton des Briefes tut der neuen Freundschaft jedoch keinen Abbruch. In den Jahren danach erfolgte tatsächlich ein reger Ärzteexport, nicht nur an den hethitischen Königshof, um Arzneien für die Augenkrankheiten des Königs zu bringen, sondern auch an den Hof seiner Vasallenkönige in weiter entlegenen Landesteilen. Diese „Ärztediplomatie“ war zusammen mit der Heiratspolitik einer der Faktoren für eine stabile Beziehung der beiden Länder, die bis zum Zerfall des hethitischen Reiches um 1200 v.Chr. Bestand haben sollte. Ramses selbst profitierte natürlich dennoch am meisten von seinen hochqualifizierten Ärzten: Er erreichte das beinahe biblisch zu nennende Alter von etwa 90 Jahren.

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