top of page
Sarah

Zeigt die Zähne!

Aktualisiert: 10. Okt. 2021

Noch vor meiner „Apothekerkarriere“ und lange vor der Ägyptologie war ich für ein paar wenige Semester im Zahnmedizinstudium eingeschrieben. Mit unempfindlichen Zähnen gesegnet und Zahnschmerzen nur vom Hörensagen kennend gab ich dieses Vorhaben auf, als ich beim Zusehen einer Weisheitszahn-Extraktion fast aus den Latschen gekippt bin (der Zahnarzt ruckelte ziemlich heftig mit einem hässlichen Werkzeug am Zahn seines „Opfers“…). Damals ahnte ich noch nichts davon, dass Zahnschmerzen die Menschheit schon immer geplagt haben, und dass (wie immer) unsere altägyptischen Freunde ihre Patienten von dieser Plage zu heilen versuchten.


Tatsächlich ergibt sich aus paläopathologischen Untersuchungen ein recht verheerendes Bild, was die Zahngesundheit der Alten Ägypter betrifft! Am häufigsten zeigten sich starke Abnutzungserscheinungen, die teilweise so gravierend waren, dass das „Zahnmark“ (der „weiche“ Teil, in dem auch die Nerven verlaufen) frei lag, was zu starken Schmerzen geführt haben muss. Was kann der Grund für diese „Volkskrankheit“ gewesen sein?


Die Nahrung der Ägypter, vor allem der Bauern, bestand primär aus Getreide und dessen weiteren Verarbeitungsstufen. Aus Gräbern sind uns Statuen und Malereien überliefert, die den Prozess der Ernte von Getreide, die Lagerung und den Mahlvorgang zeigen. Das Mahlen wurde auf einem Stein durchgeführt und das Getreide wurde darauf von einem weiteren Stein so lange zerrieben, bis man Mehl erhalten hatte.





Kunsthistorisches Museum Wien

"Korn mahlende Dienerin"

ca. 2200-2191 v. Chr.






Dieses Mehl enthielt nun allerdings nicht nur das entsprechende Getreide, sondern auch Abrieb des Steins, der zum Mahlen verwendet wurde! Beim Backen gelangte dieser Steinabrieb ins Brot und traktierte beim Kauen die Zähne. Ein weiteres sandiges Problem besteht in der Nähe der Siedlungen Ägyptens zur Wüste: Flugsand kriecht noch heute durch jede Ritze ägyptischer Behausungen und fand auch seit jeher seinen Weg in gelagerte Nahrungsmittel. Da Sand härter als Zahnschmelz ist, führt das ständige Kauen von Sandkörnern zu einem enormen Abrieb und dem stetigen Verlust von Zahnsubstanz.

Neben dieser sehr speziellen Erkrankung traten aber auch eher „gewöhnliche“ Abszesse der Mundhöhle auf, und (allerdings eher selten) auch Karies. Letzteres war interessanterweise wohl eher ein Problem der Oberschicht, die leichter die Möglichkeit hatten, zuckerhaltige süße Speisen zu sich zu nehmen.


Zahnbürsten oder Zahnpflegeprodukte sind uns leider nicht überliefert. Priesterliche Reinigungsrituale geben einen Hinweis darauf, dass das Ausspülen des Mundes mit Natron praktiziert wurde, aber sicherlich auch nur von den Personen, die Zugang dazu hatten (also die Oberschicht). Eine gute zahnmedizinische Prophylaxe war also keinesfalls der Standard.


Welche Möglichkeiten blieben den Zahnärzten also? Der Papyrus Ebers gibt hier zumindest einige Rezepte wieder, die durchaus hilfreich gewesen sein dürften:

„Anfang von den Heilmitteln für das Kräftigen eines Zahnes: Mehl vom Samenkorn des Emmer 1 Teil, Ocker 1 Teil, Honig 1 Teil; werde zu einer Masse gemacht, werde der Zahn damit ausgestopft.“

Ocker und Honig haben leicht Bakterien-abtötende Eigenschaften, wodurch diese Masse als provisorische Zahnfüllung sicher gute Dienste geleistet haben dürfte.


Ein weiteres Heilmittel soll Geschwüre, also entzündliche Abszesse an den Zähnen beseitigt haben:

„Milch des Rindes 1 Teil, frische Datteln 1 Teil, Hülsenfrucht (welche ist leider unbekannt) 1 Teil. Werde nachts dem Tau ausgesetzt, werde kauend im Mund bewegt, werde ausgespuckt.“

Hier ist die ganze Sache weniger klar. Die Anweisung „nachts dem Tau aussetzen“ erinnert mich allerdings an eine Episode, die man sich über Nostradamus erzählt: Er soll im 16. Jahrhundert in der Provence die Pest bei manchen Patienten geheilt haben, indem er im Morgentau gesammelte Rosenblätter als Arznei verwendete. Man fand heraus, dass der Tau wahrscheinlich Schimmel an den Blättern wachsen ließ, die ihrerseits antibiotische Substanzen freisetzten, so, wie später auch Alexander Fleming das Penicillin aus Schimmelpilzen gewann. Unter diesem Aspekt könnte die altägyptische Arznei tatsächlich einen Beitrag dazu geleistet haben, Entzündungen an Zähnen zu beseitigen.


Zuletzt bin ich natürlich noch eine Erklärung zum Titelbild schuldig:

Das Gebilde stammt aus einer Nekropole bei al-Qatta, in der Nähe von Kairo aus der Zeit um 2500 v. Chr. Offensichtlich handelt es sich um drei menschliche Zähne, die mit einem goldenen Draht zusammengehalten wurden. Natürlich war die Aufregung groß, könnte es sich dabei nicht um die erste Art eine „Brücke“ handeln, mit der ein verloren gegangener Zahn ersetzt wurde? Leider ist die Frage nicht so einfach zu beantworten. Wahrscheinlich war die Konstruktion zu instabil, als dass sie tatsächlich beim Essen hätte verwendet werden können. Ein rein ästhetischer Ersatz zu Lebzeiten wäre jedoch sicher denkbar, auf jeden Fall wurde dieser Zahnersatz für das Jenseits angefertigt, damit das Essen wenigstens dort wieder problemlos möglich war.



Titelbild

aus: R.J. Forshaw, The Practice of Dentistry in Ancient Egypt. Aufbewahrt im Ägyptischen Museum, Kairo.


Literatur

- R.J. Forshaw, Dental Health and Disease in Ancient Egypt, in: British Dental Journal 206 (8) 2009, 421-424.

- R.J. Forshaw, The Practice of Dentistry in Ancient Egypt, in: British Dental Journal 206 (9) 2009, 481-486.


30 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page