top of page
Sarah

Tierisch gut drauf

Medizin ist nichts, was nur dem Menschen zu Gute kommen würde. Wenn man Kinder (vor allem Mädchen) fragt, welchen Beruf sie später einmal haben wollen, steht „Tierarzt“ oft ganz oben auf der Liste der Antworten. Meistens jedoch genau so lange, bis einem bewusst wird, dass ein Tierarzt nicht nur Hunde und Katzen versorgt, sondern auch für Großtiere verantwortlich ist, deren Schlachtung überwacht, oder geliebte Tiere einschläfern muss. Dennoch ist die Tiermedizin ein extrem spannendes, unglaublich weites Feld – oder wer versorgt schon Nilpferde im Zoo mit der Antibaby-Pille, wenn nicht ein Tierarzt?


In einer Kultur, die tiergestaltige (griechisch: theriomorphe) Götter verehrt, ist es nun auch alles andere als verwunderlich, dass die Ägypter ihre medizinischen Kenntnisse nun auch an Tieren erprobten. Die meisten Informationen über die Tiere und ihren gesundheitlichen Zustand können wir heute natürlich von Tiermumien gewinnen, die wir in extrem großer Zahl vorfinden (böse Zungen behaupten, dass die Ägypter ohnehin alles mumifizierten, was sich nicht schnell genug retten konnte). Kaum ein Tier wurde nicht mumifiziert: Neben den „erwartbaren“ Tieren finden wir Schlangen, Spitzmäuse und sogar Skarabäen, die kleine spezielle Sarkophage erhielten!


Aus Darstellungen ist bekannt, dass die Ägypter auf jeden Fall Haustiere hielten, bevorzugt sicherlich Katzen. Meist tauchen die Tiere in Grabdarstellungen einer Familie auf, indem sie unter dem Stuhl des Grabherrn sitzen (und, wie in diesem Beispiel, genüsslich einen Fisch verspeisen).


Grab des Nacht, TT52

Katze unter dem Stuhl seiner Ehefrau Tawi

etwa 1401-1391 v. Chr.

aus: J. Malek (s.unten)




Bei Haustieren besteht oft eine große emotionale Bindung, so dass man nie leichtfertig eine schlechte Behandlung oder einen gesundheitlichen Schaden in Kauf nehmen würde. Teilweise wurden mumifizierte Haustiere im Grab ihrer Besitzer gefunden, sie erhielten also die gleiche Behandlung nach ihrem Tod und sollten wahrscheinlich ihrem Besitzer im Jenseits Gesellschaft leisten.


Daneben waren größere Tiere natürlich Nutztiere, etwa Esel oder Rinder, die für einen Bauern so gut wie unersetzlich gewesen sein dürften. Aus der Literatur und Abbildungen sind sie uns bekannt, und mit Sicherheit haben die Besitzer sehr darauf geachtet, dass die Tiere stets bei guter Gesundheit waren; einfach mal „neu kaufen“ war sicher in den seltensten Fällen eine Option. Diese Tiere wurden allerdings offenbar nicht mumifiziert, was dafür spricht, dass man mit ihnen keine sonderlich „intime“ Beziehung verband. Allerdings kommt hier die Tiermedizin ins Spiel: Im sogenannten Veterinärpapyrus von Kahun sind uns (leider sehr stark fragmentiert) Behandlungen und Rezepturen für Tiere überliefert. Die erwähnten Tiere sind eine Gans, ein Fisch (wogegen er wohl behandelt werden sollte?), ein Hund, sowie dreimal Rinder. Da auch ein Hund zu Jagdzwecken gewissermaßen ein Nutztier ist, zeigt uns dieser Papyrus, dass die Gesunderhaltung von Nutztieren für die Ägypter einen sehr großen Stellenwert hatte.


Veterinärmedizinischer Papyrus aus Kahun

um 1850 v. Chr.

aus: F.L. Griffith (s. unten)







Besonders interessant ist nun vor allem der Zustand der heiligen Tiere, die in Tempeln als lebende Abbilder der entsprechenden Gottheiten verehrt wurden und ebenfalls nach ihrem Tod mumifiziert wurden. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich der Apis-Stier, jedoch gab es natürlich auch Ibisse, die Thot darstellten, Falken, die für Horus standen, oder Krokodile, die als Sobek verehrt wurden. Bei einer Untersuchung der Mumien kam überraschendes zutage: Die Tiere waren fast ausnahmslos in einem extrem schlechten körperlichen Zustand!


Auf den ersten Blick kommt uns das sehr merkwürdig vor, wieso sollten die Ägypter göttliche Tiere schlecht behandelt haben? Der Teufel liegt allerdings im Detail: Die Ägypter achteten bei ihrer Vergöttlichung nicht darauf, die Tiere möglichst artgerecht zu halten! Ein tierisches Dasein hinter Tempelmauern, im Halbdunkel ohne ausreichend Auslauf und Sonnenlicht machte die Tiere krank. Dazu kam ein weiteres Problem: Die Tiere wurden mit süßen Leckereien wie etwa Kuchen regelrecht verwöhnt und gemästet, zum einen durch die Priester, zum anderen durch Besucher, die dem göttlichen Tier ebenfalls etwas „Gutes“ tun wollten. Kenntnisse über artgerechtes Halten gingen den Ägyptern scheinbar bei allem übrigen vorhandenen Wissen völlig ab.

In diesem Kontext zeigt sich wieder einmal: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht!



Literatur

- J. Malek, The Cat in Ancient Egypt, London 1993.

- F. L. Griffith, The Petrie Papyri. Hieratic Papyri from Kahun and Gurob. Plates, London 1898.

- S. Ikram, Tiermumien im Alten Ägypten in: Ägyptische Mumien. Unsterblichkeit im Land der Pharaonen, Stuttgart, 2007, pp.281-309.


Titelbild

Mumie eines Heiligen Ibis, 3D-CT, aus: Ägyptische Mumien (s. oben).

16 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page