Rein gefühlsmäßig könnte man aus unserer heutigen Perspektive sicherlich sagen, dass das Thema Arbeitssicherheit im Alten Ägypten nicht gerade großgeschrieben wurde. Herodot berichtet (wohlgemerkt 2000 Jahre nach dem Bau!), dass an der Errichtung der Cheops-Pyramide ständig 100.000 Menschen in 3-monatigen Schichten gearbeitet hätte; bei 100.000 Menschen auf einer einzigen Baustelle dürfte wohl ein ziemliches Chaos geherrscht haben. Heute gehen wir eher von etwa 20.000 (ungelernten) Arbeitern aus, die vor allem während der Überschwemmungszeit für den Transport von Baumaterial verantwortlich waren; ansonsten arbeiteten etwa 5000 „Spezialisten“ tatsächlich am Bau selbst mit.
Von dieser Großbaustelle sind „Betriebsärzte“ zwar nicht überliefert, Unfälle und Verletzungen dürften jedoch sicher an der Tagesordnung gewesen sein. Auf einem Arbeiterfriedhof in der Nähe der (etwas älteren) Pyramide des Snofru weisen einige Skelette der Arbeiter Knochenbrüche auf, teilweise sogar mit Resten von Verbänden. Aus späteren Zeiten sind jedoch Ärzte belegt, die in Steinbrüchen für die medizinische Versorgung der Arbeiter verantwortlich waren. Die Unfälle dort dürften denen beim Pyramidenbau sehr ähnlich sein.
Nicht nur herabstürzende Steine dürften die Knochen der Arbeiter bedroht haben: Eine Grabdarstellung zeigt die Versorgung von Arbeitsunfällen, offenbar beim Bau eines Schreines. Rechts oben wird ein ausgerenkter Ellenbogen gerichtet, links unten muss eine Augenverletzung behandelt werden.
Auch die klimatischen Bedingungen dürften das Arbeiten gerade in den königlichen Nekropolen in der Wüste zu einer Tortur gemacht haben: Bei Temperaturen von 40 Grad werden sicherlich Hitze und Durst dazu geführt haben, dass Arbeiter kollabiert sind. Unter diesen Bedingungen ist es nur verständlich, dass die Arbeiter unter Ramses III. in den Streik traten, als sie ihre Essens- und Bierrationen nicht pünktlich erhielten! Auch die schon erwähnten Skorpione konnten den Arbeitern gefährlich werden. Hierfür scheint es auf manchen Baustellen spezielle „Skorpion-Entferner“ gegeben zu haben, die vor Arbeitsbeginn den Arbeitsplatz sicher machten.
Eine der reichhaltigsten Quellen für Berichte aus dem täglichen Leben bietet die Arbeitersiedlung Deir el-Medine in Theben-West. Im Neuen Reich waren diese Arbeiter und ihre Familien dort angesiedelt, weil sie für den Bau und die Ausstattung der königlichen Gräber im Tal der Könige verantwortlich waren. Sie waren, was ihre Versorgung anging, sicherlich privilegiert, und offenbar stand ihnen auch ärztliche Versorgung zu. Da die Alten Ägypter uns Deutschen in Sachen Bürokratie ja in Nichts nachstanden, sind uns überraschende Dokumente überliefert: Es wurde täglich aufgeführt, welcher Arbeiter aus welchem Grund nicht zur Arbeit erschien. Tatsächlich konnten Arbeiter offenbar zu Hause bleiben, wenn sie zu krank zum Arbeiten waren. Fast schon modern erscheint uns, dass Arbeiter auch zu Hause blieben, wenn Familienangehörige krank waren und gepflegt werden mussten, oder wenn eine Ehefrau ein Kind bekam. Ob sich diese Situation auf jede Baustelle zu allen Zeiten der Geschichte erstreckte? Jedenfalls war so etwas um 1300 v. Chr. durchaus möglich!
Neben „stationären“ Baustellen waren die ägyptischen Arbeiter auch viel unterwegs: Zahlreiche Expeditionen sind uns zu allen Zeiten der ägyptischen Geschichte überliefert, vor allem zur Erkundung von Steinbrüchen und Türkisminen. Neben Soldaten, Arbeitern und Ärzten treffen wir hierbei eine weitere Berufsgruppe an: Balsamierer. In den 1930er Jahren (v. Chr.) nahmen an einer Expedition insgesamt 30 Balsamierer teil; scheinbar gab es bei einer vorherigen Expedition viele Todesopfer. Wenn „alle Stricke rissen“ und für Unfallopfer nichts mehr getan werden konnte, sorgten die Ägypter also scheinbar immerhin vor…
Literatur
- H. Engelmann, J. Hallof, Zur medizinischen Nothilfe und Unfallversorgung auf staatlichen Arbeitsplätzen im alten Ägypten, in: ZÄS 122 (1995), p.104-136.
- J.J. Janssen, Absence from Work by the Necropolis Workmen of Thebes, in: SAK 8 (1980), p.127-152.
Titelbild
Transport einer Statue, aus dem Grab von Djehutihotep, Deir el-Bershe
Abbildung im Text
Darstellung aus dem Grab des Ipuy, MMA 30.4.116
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