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Sarah

Ihr Kinderlein, kommet!

Ist denn heut' schon Weihnachten? Noch nicht ganz, 81 Tage haben wir noch vor uns, und dennoch widmen wir uns heute einem mit Weihnachten eng verbundenen Thema: Die Geburt im Alten Ägypten.


Wir haben schon häufig gesehen, dass die Ägypter in vielen medizinischen Aspekten nicht ausschließlich auf irdische Medizin vertrauten, sondern häufig ein magisch-religiöser Aspekt in medizinische Vorgänge hineinspielte. Zu einer Zeit, in der die Sterblichkeit von Müttern und Neugeborenen ziemlich groß gewesen sein muss, ist es sicherlich auch ein legitimer Gedanke, dass göttliche Hilfe jedenfalls nicht schadet!

Aber der Reihe nach:

Vor der Geburt steht ja bekanntlich die Schwangerschaft; die Ägypter brachten das Ausbleiben der Menstruation schon früh mit einer bestehenden Schwangerschaft in Verbindung, aber natürlich wollte man das methodisch überprüfen. Außerdem dürften zu allen Zeiten (auch ohne moderne technische Unterstützung) die Eltern sehr gespannt gewesen sein, welches Geschlecht das Kind haben würde. Die Ägypter waren hier mal wieder Trendsetter: Bis in das 18 Jhd. n. Chr. wurde in der Gynäkologie ein Verfahren zur Geburtsprognose angewandt, das um 1250 v. Chr. entwickelt wurde!

Ein Feststellungsverfahren, ob eine Frau gebären wird: Gerste und Emmer, es befeuchte die Frau sie mit ihrem Harn jeden Tag in zwei Beuteln. Wenn sie beide wachsen, wird die Frau gebären. Wenn die Gerste wächst, bedeutet das ein männliches Kind. Wenn der Emmer wächst, bedeutet dies ein weibliches Kind. Wenn sie nicht wachsen, so wird sie nicht gebären.

Die während einer Schwangerschaft im Harn ausgeschiedenen Hormone dürften tatsächlich Getreide zügig zum Keimen gebracht haben, ob allerdings die Prognose über das Geschlecht korrekte Aussagen liefert, ist zweifelhaft. Aus ägyptischer Perspektive liegt der Zusammenhang jedoch auf der Hand: Gerste, ägyptisch it, ist ein männliches Nomen, während Emmer, bd.t, ein weibliches Nomen ist.


Über die Geburt haben wir wenige direkte Informationen; es gibt einige Darstellungen, allerdings stets aus dem „königlichen“ Kontext: Hatschepsuts eigene Geburt beispielsweise wird in ihrem Totentempel in Deir el-Bahari gezeigt, jedoch nicht ohne „propagandistische“ Aufladung. Ihr Vater ist nämlich der Gott Amun höchstselbst, der ihrer Mutter vorspielte, ihr Ehemann zu sein (Zeus könnte von Amun noch einiges lernen!). Die Geburt schließlich wird dann auch von zahlreichen schützenden Göttern begleitet, was natürlich nur standesgemäß für eine Königin ist.


Aus einer märchenhaften Erzählung des Papyrus Westcar erhalten wir weitere Informationen, die allerdings auch in den magischen Bereich zu verorten sind: Die Geburt von königlichen Drillingen, die allerdings von einer „bürgerlichen“ Mutter geboren werden, wird von drei Hebammen begleitet, bei denen es sich um Isis, Nephthys und Heket handelt, die sich um die Mutter herum platzieren. Die Mutter hockt auf zwei sogenannten Geburtsziegeln, Meschenet genannt, die ebenfalls einen göttlichen Charakter hatten und aus denen die Lebenszeit des Kindes bereits zu seiner Geburt hervorging.


Geburtsziegel aus Abydos

Wegner, Josef"The Magical Birth Brick" Expedition Magazine 48.2 (2006). Penn Museum, 2006




Generell fand die Geburt an einem speziellen Ort statt, der Wochenlaube. Es wird vermutet, dass die Frauen sich bereits kurz vor der Geburt dorthin zurückzogen und auch nach der Geburt noch einige Tage dort blieben, um sich zu erholen. Männer scheinen für diesen Zeitraum nicht nötig gewesen zu sein, die Geschichte des Papyrus Westcar erzählt explizit, dass der Ehemann von den göttlichen Hebammen ausgesperrt wurde.

Dem Neugeborenen wird vom Gott Chnum (der die Menschen auf seiner Töpferscheibe erschafft) Gesundheit gegeben, aber dennoch gibt es diagnostische Möglichkeiten um festzustellen, ob das Kind die ersten Tage überleben wird.

Ein anderes Erkennen: Wenn man seine [des Kindes] Stimme hört, indem sie brüchig ist, dann bedeutet es, dass es sterben wird. Wenn es sein Gesicht nach unten gibt, dann bedeutet das ebenfalls, dass es sterben wird.

Um weiteren Schaden vom Neugeborenen abzuwenden bestand die Möglichkeit, magische Gegenstände einzusetzen. Neben Amuletten wurden wohl sogenannte Zaubermesser verwendet, die aus Elfenbein hergestellt wurden und Zeichnungen von schützenden Tiergöttern enthielten. Vor allem die Nilpferdgöttin Taweret ist häufig in diesem Kontext zu finden, da sie generell die werdende Mutter und ihr Kind schützte (Nilpferdweibchen sind auch außerordentlich ungemütlich, wenn sich jemand ihrem Nachwuchs widmet).




Inv.Nr. 04.2.365






Spätestens zur griechisch-römischen Zeit dürfte die Tätigkeit der Hebamme in Ägypten professionalisiert sein, da diese als Beruf bei den Griechen zu diesem Zeitpunkt schon existierte. Da das Wissen um die Geburt sich jedoch nicht nur auf medizinische Kenntnisse beschränkte, sondern auch magisch-religiöse Komponenten enthielt, dürften vorrangig Frauen, die genau wussten, was sie taten, der werdenden Mutter assistiert haben, auch wenn uns eine Ausbildung dazu nicht bekannt ist. Doch selbst die Göttinnen aus der Westcar-Geschichte versichern dem Ehemann der Gebärenden: "Lass uns zu ihr. Wir verstehen uns auf Geburtshilfe!" Und wenn sich sogar Göttinnen auf diese Art legitimieren mussten, dürfte man die Geburt wohl kaum "Unwissenden" überlassen haben...


Literatur

- A. Nifosi, Becoming a Woman and Mother in Greco-Roman Egypt, New York, 2019.

- C. Leitz, Zwischen Zauber und Vernunft: Der Beginn des Lebens im Alten Ägypten, in: A. Karenberg, C. Leitz (Hrsg.), Heilkunde und Hochkultur I, Berlin 2020.


Titelbild

Geburtsszene der Hatschepsut aus Deir el-Bahari, aus: E. Naville, The Temple of Deir el-Bahari, Part II, London 1897.










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