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Sarah

Heiliges Räucherwerk

Wir gehen stark auf Weihnachten zu, und was wäre Weihnachten ohne eine schöne Christmette mit dem dazugehörenden Darbringen eines Rauchopfers…womit wir bei einer der vielen „heidnischen“ Wurzeln der christlichen Religion wären. Wenn wir die religionshistorische Komponente jedoch außer Acht lassen, landen wir bei einer pflanzlichen Substanz, die uns heute noch, auch im nicht-religiösen Kontext begleitet: Dem Weihrauch.


Wenn wir an Weihrauch denken, dann geht es um die kleinen Kugeln, die mit Kohle angezündet werden und einen starken Geruch verbreiten; manche mögen ihn, anderen wird von einer anständigen Räucherung eher übel. Diese Weihrauchkugeln werden aus dem Harz verschiedener Bäume gewonnen, die jedoch alle zur Spezies der Boswellia gehören, sogenannte Balsambaumgewächse. Wenn man die Rinde dieser Bäume anschneidet, tritt Milchsaft hervor, der nach dem Trocknen je nach Qualität und Sorte eine weiße bis bräunliche Farbe annimmt.





Weihrauchbaum im Oman

(Oktober 2019)









Die Boswellia-Bäume stammen vor allem aus den Ländern der Arabischen Halbinsel und des daran angrenzenden Horn von Afrika. Besonders Somalia und Oman produzieren und exportieren die größten Mengen an Weihrauch. Eines dieser Länder ist auch vermutlich das Land Punt, dass in altägyptischen Berichten immer wieder genannt wird, und aus dem große Schätze nach Ägypten gebracht wurden. Neben Gold, Silber und Elfenbein wurde aus Punt natürlich auch Weihrauch nach Ägypten gebracht. Im Tempel der Hatschepsut sind Szenen abgebildet, die eine ägyptische Expedition nach Punt zeigen; um nicht länger vom Export abhängig zu sein, gruben die Ägypter die Weihrauchbäume dort sogar aus, und nahmen sie mit nach Ägypten (siehe unten). Nicht nur für die alten Ägypter war Weihrauch übrigens etwas besonders Kostbares: Nach dem Matthäus-Evangelium hatten die Weisen aus dem Morgenland für Jesus Geschenke dabei, die eines Königs würdig waren; Weihrauch war natürlich darunter.








Reste eines Weihrauchbaums vor dem Tempel der Hatschepsut, Deir el-Bahari

(Oktober 2019)











Weihrauch wurde auf ägyptisch sntr (senetscher) genannt; wörtlich übersetzt bedeutet es „göttlich machen“. Kein Wunder, dass die Priester und Könige in den ägyptischen Tempeln Weihrauch ebenso verwendeten, wie Priester es heutzutage tun: In einem Räuchergerät wird Weihrauch verbrannt und kultisch besonders wichtige Gegenstände, wie etwa das Götterbild, wurden damit geräuchert (Titelbild). Der Wohlgeruch der Räucherung sollte die Gottheit zufrieden stimmen und hatte dazu auch noch einen reinigenden Charakter.


Nicht nur für die Religionsausübung war Weihrauch wichtig: sntr ist in den medizinischen Texten eines der am häufigsten verwendeten Heilmittel für alle Arten von Krankheiten. Als Räuchermittel begegnet er uns hier fast gar nicht, nur bei diversen Frauenleiden werden Weihrauch-Räucherungen empfohlen. Ansonsten wird Weihrauch innerlich bei verschiedenen Störungen des Magen-Darm-Traktes angewendet, sowie äußerlich bei Gelenkleiden, Schwellungen und Verletzungen durch Tierbisse oder Verbrennungen.

Heilmittel für das Entleeren des Bauches: [diverse unbekannte Pflanzen], Zyperngras 1/32, Wacholderfrüchte 1/16, Weihrauch 1/64, Salz 1/32; werden gekocht bis zur Eindickung, du mögest Honig hinzufügen, bevor man es vom Feuer nimmt. Werde gekocht, werde getrunken an einem Tag. (Papyrus Ebers 23)
Anfang von den Heilmitteln für das Gesundmachen einer Wunde auf dem Fleisch: Verbandstoff, befeuchtet mit Weihrauch und Honig; werde daran gegeben an vier Tagen. (Papyrus Ebers 515)

Traditionell wurde auch in späteren Zeiten Weihrauch als Heilmittel geschätzt, so zum Beispiel bei der aromatherapeutischen Verwendung bei Hildegard von Bingen. Tatsächlich zeigte sich in den letzten Jahrzehnten allerdings Erstaunliches: Weihrauch enthält tatsächlich einige Inhaltsstoffe mit therapeutischem Potential. Die im Harz enthaltene Boswelliasäure besitzt entzündungshemmende und antibakterielle Eigenschaften, was ihre äußerliche Verwendung bei entzündeten Wunden legitimiert. Bei einer innerlichen Anwendung fiel in Studien auf, dass Durchfall eine recht oft vorkommende Nebenwirkung ist, womit auch die abführende Wirkung empirisch belegt wäre.


Eine weitere Studie, die den Inhaltsstoff Incensol näher untersuchte, zeigte eine weitere mögliche Wirkung des Weihrauchs und seiner Inhaltsstoffe auf: Incensol besitzt, innerlich angewendet, eine angstlösende und leicht antidepressive Wirkung, die in der Studie der von Diazepam, einer stark angstlösenden Substanz, ähnelte. Ob diese Effekte auch bei Räucherungen mit Weihrauch eine Rolle spielen? Auf diese Weise könnte man sicherlich erklären, warum sich das Rauchopfer seit 4000 Jahren einer ungebrochenen Beliebtheit erfreut.



Um nicht dem jährlichen Weihnachtsstress zum Opfer zu fallen, verabschiede ich mich etwas verfrüht in die Weihnachts"ferien". Ich wünsche Euch allen schöne Feiertage (vielleicht mit einer anständigen Weihrauchdosis?), einen friedlichen Jahresabschluss und einen guten Start in das Jahr 2022! Wir "lesen" uns am 10. Januar wieder, aber vorher wird es, pünktlich zum 4. Advent, im Podcast noch eine ägyptische "Weihnachtsgeschichte" geben. Bis dahin, alles Gute!


Titelbild

Ramses II. opfert Amun Weihrauch im Karnak-Tempel (easyDB-Bilddatenbank der Universität Würzburg)


Literatur

- R. Germer, Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen, Wiesbaden 2008.

- E. Ernst, Frankincense: systematic review in: BMJ. 2008; 337: a2813.

- A. Moussaieff et. al., Incensole acetate, an incense component, elicits psychoactivity by activating TRPV3 channels in the brain in: FASEB J. 2008 Aug; 22(8): 3024–3034.

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