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Sarah

Du bist, was du isst

Aktualisiert: 10. Okt. 2021

„Eure Nahrungsmittel sollen Eure Heilmittel sein.“

Diese Worte werden (wahrscheinlich fälschlicherweise) dem großen antiken Arzt Hippokrates (etwa 460-370 v. Chr.) zugeschrieben. Selbst wenn er sie so nie gesagt hat, dürfte diese Aussage in der gesamten antiken Welt ohnehin eher eine Binsenweisheit gewesen sein: Die meisten der in medizinischen Rezepturen verwendeten Pflanzen wurden sicherlich auch als Nahrungsmittel verwendet. Für keine andere Pflanze ist dieser Befund so eindeutig wie für die Dattelpalme.


Archäobotanische Funde belegen die Existenz von Dattelpalmen in Ägypten ab dem 8. Jahrtausend v. Chr., ihre Kultivierung und systematische Nutzung dürfte spätestens im Alten Reich begonnen haben. Die Dattelpalme lieferte den Ägyptern Baumaterialien für Kleinmöbel und Hüttenbedachungen sowie Fasern für die Herstellung von Seilen. Das Grab des Ineni aus der 18. Dynastie zeigt eine Darstellung seines eigenen Obstgartens, in dem neben Wein, Feigen- und Granatapfelbäumen auch Dattelpalmen wachsen. Diese bis 30 m hohen Palmen sorgten für Schatten und Kühle in der brennenden Sonne Ägyptens. Nicht nur der Gartenbesitzer konnte sich daran erfreuen, die Palmen schufen auch für die darunter wachsenden, flacheren Pflanzen ein perfektes Mikroklima, um in der Sonne nicht zu verbrennen.









Umzeichnung einer Darstellung des

Grabs des Ineni, TT81, 18. Dynastie

aus: Tietze, Ägyptische Gärten, Abb. 277.












Neben der Nutzung des Holzes und der Fasern, sowie zur Gestaltung einer optimalen Gartenanlage fehlt uns natürlich noch die offensichtlichste Verwendung: Dattelfrüchte stellten seit jeher eine ungemein kalorienreiche und süße Bereicherung des Speiseplans dar. 100g frische Datteln liefern 280 kcal, bei einem Kohlenhydratanteil von 65% und 2,5% Proteingehalt. Echte Kalorienbomben also! Datteln lassen sich jedoch auch hervorragend getrocknet verzehren und können somit gelagert und auf Reisen als unverderblicher Proviant mitgenommen werden. Zu guter Letzt lassen sich Datteln zu einem süßen, alkoholischen Getränk vergären, der von den Ägyptern als „Dattelwein“ bezeichnet wurde.


Hier kommt nun endlich die Medizin ins Spiel:

Kaum eine andere Pflanze wird in so vielen verschiedenen Rezepturen der medizinischen Papyri erwähnt. Die Dattel konnte geschnitten, zerquetscht, getrocknet, frisch, als Mehl, als Sirup oder als Wein angewendet werden, sowohl innerlich, als auch äußerlich.

Äußerlich finden wir beispielsweise folgende Anwendung:

Ein anderes Heilmittel zum Kommenlassen des Eiters: Mehl von getrockneten Datteln: 1, Mehl von Emmerkörnern: 1, Natron: 1, kat-schut-Pflanze: 1. die betroffene Stelle werden damit verbunden und erwärmt.

Ähnlich wie diese Rezeptur sind viele äußerliche Anwendungen mit dem Bestandteil "Dattel" zur Versorgung von Wunden oder Schwellungen gedacht. Neuere Studien konnten zeigen, dass Datteln durch ihren hohen Anteil an Antioxidantien tatsächlich entzündungshemmendes Potential besitzen.


Die innerliche Anwendung von Datteln ist auch heute noch bekannt und gut belegt: Der Verzehr von Datteln, vor allem der übermäßige, wirkt abführend. Das kommt durch den hohen Zuckeranteil und die Ballaststoffe zustande, die Flüssigkeiten im Darm binden können und somit bei Verstopfung helfen. Entsprechend finden sich zahllose Rezepturen zum "Beseitigen der Giftstoffe im Bauch", zum "Veranlassen, dass man ausscheidet", zum "Entleeren des Bauches" und "Gegen eine Verstopfung des Magens".

Einige innerliche Anwendungen lassen sich jedoch nicht mit medizinisch-pharmazeutischen Fakten erklären; das "Beseitigen von Husten" etwa, oder das "Beseitigen von Lahmheit".

Hier machten sich ägyptische Ärzte wahrscheinlich den süßen Geschmack zunutze: ähnlich wie auch Honig, dürften Datteln oder Dattelsirup als Geschmackskorrigenz gedient haben.


Der Stellenwert der Dattelpalme in Ägypten kann also gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das gleiche gilt übrigens für die ewigen Rivalen der Alten Ägypter, die Mesopotamier. Von dort ist uns aus dem Codex Hammurabi die Strafe für das unerlaubte Abholzen einer fremden Dattelpalme überliefert: „Gesetzt, ein Mann hat ohne Erlaubnis des Eigentümers eines Gartens in dem Garten eines anderen eine Dattelpalme gefällt, so wird er eine halbe Mine Silber zahlen.“ Wir dürfen annehmen, dass auch in Ägypten das unerlaubte „Palmenfällen“ kein Kavaliersdelikt war.



Literatur

- William J. Darby, Paul Ghalioungui, Louis Grivetti, Food: The Gift of Osiris, Vol. 2, London 1977.

- Renate Germer, Handbuch der altägyptischen Heilpflanzen, Wiesbaden 2008.

- Christian Tietze (Hrsg.), Ägyptische Gärten, Weimar 2011.


Titelbild

Datteln und Dattelkerne, Ident.Nr. ÄM 3361 Sammlung: Ägyptisches Museum und Papyrussammlung

© Foto: Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

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